Engineers for Future

Warum stehen so viele Windräder still, obwohl Wind weht?

2023-11-01

Wenn Sie in Gegenden unterwegs sind, in denen viele Windräder aufgestellt sind, dann kann es vorkommen, dass ein Teil der Windräder steht, während andere Räder rotieren und Strom produzieren. Schuld daran sind häufig sogenannte “Netzengpässe”.

Die Stromversorgungsnetze in Deutschland wurden überwiegend im Laufe des 20ten Jahrhundert gebaut. Sie sind so konstruiert, dass sie den erzeugten Strom aus relativ wenigen, aber großen Kohle-, Gas- und (bis vor kurzem) Kernkraftwerken zu den industriellen und privaten Stromkunden leiten. Der erzeugte Strom wird dabei von den Kraftwerken vorwiegend in Übertragungsnetze gespeist, die den Strom oft über weite Strecken und sogar europaweit transportieren und an lokale Verteilnetze weitergeben. Dort sind die überwiegende Zahl an Stromkunden angeschlossen.

Die Erzeugung von regenerativem Strom in Windkraft- und Photovoltaikanlagen erfolgt aber in vielen, im Vergleich zu den Großkraftwerken kleinen Einheiten und sehr dezentral. Dadurch verändern sich die Stromflüsse in den Stromnetzen erheblich. Da die Stromnetze für diese veränderte Nutzung aber nicht konstruiert wurden, kommt es immer wieder und mit dem zunehmenden Ausbau von regenerativen Energiequellen zu drohenden Überlastungen an bestimmten Stellen in den Netzen. Um diese Überlastungen, die auch zu (Teil-)Ausfällen der Stromversorgung führen können, zu vermeiden, werden Betreiber von Windkraftanlagen oder größeren PV-Anlagen von den Betreibern der Stromnetze angewiesen ihre Erzeugung zu drosseln oder die Anlagen vorübergehend abzuschalten.

Die gesetzliche Grundlage für dieses sogenannte Netzengpassmanagement liefert das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Dort sind die Pflichten für die Stromnetzbetreiber und Betreiber von Stromerzeugungsanlagen und Stromspeicher, sowie die Kompensationen für den nicht erzeugten und damit auch nicht verkaufbaren Strom geregelt. Die für die Kompensation anfallenden Kosten tragen wir Stromkunden über die sogenannten Netzentgelte, die einen Anteil von ca. 22% am Strompreis ausmachen (BNetzA – Preisbestandteile und Tarife, 2022).

Neben den Netzengpässen, die den überwiegenden Grund für Drosselungen und Abschaltungen darstellen, können vorrübergehende Abschaltungen von Windkraftanlagen auch im Rahmen von Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen zum Schutz von z.B. Vögeln oder Fledermäusen (vgl. Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2021) vorgenommen werden. Diese werden häufig als betriebliche Auflagen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Bau von Windkraftanlagen individuell und je nach Standort festgelegt. Weiter müssen Windkraftanlagen auch regelmäßig gewartet und dazu gelegentlich abgeschaltet werden.

Im Jahr 2022 wurden laut Bundesnetzagentur (BNetzA), der für die Erfassung der durchgeführten Maßnahmen zum Netzengpassmanagement zuständige Behörde, 7.339GWh Windenergie (On- und Offshore) abgeschaltet (BNetzA – Netzengpassmanagement, 2023). Insgesamt wurden im gleichen Zeitraum 125,2TWh (also 125.200 GWh) Energie aus Windkraftanlagen erzeugt (BNetzA – Bundesnetzagentur veröffentlicht Daten zum Strommarkt 2022, 2023). Bezogen auf die Energiemenge, die insgesamt durch Wind erzeugt worden wäre, wenn das Stromnetz keine Engpässe hätte, entspricht das einem Anteil von 5,5%.

Sie sehen also, dass die Windkraftanlagen überwiegend in Betrieb sind und der subjektive Eindruck beim Spaziergang insgesamt trügen kann. Allerdings müssen und werden immer mehr regenerative Energieerzeugungsanlagen in Deutschland gebaut, so dass sich das Problem der Netzengpässe ohne einen schritthaltenden Netzausbau verschärft und immer mehr Anlagen temporär gedrosselt oder abgeschaltet werden müssen. Daher ist es so wichtig, dass neben den Erzeugungsanlagen auch in die Ertüchtigung der Stromnetze investiert wird.

Links zu weiterem Hintergrundwissen über Windräder:

https://www.enbw.com/unternehmen/eco-journal/warum-windraeder-stillstehen.html
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Versorgungssicherheit/Netzengpassmanagement/start.html
https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-09/energieversorgung-stromnetz-windenergie-energiewende-blackout?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

Quellen:

BNetzA – Preisbestandteile und Tarife, 2022:  Wie setzt sich der Strompreis zusammen?, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/Energie/PreiseAbschlaege/Tarife-table.html#FAQ330384 [abgerufen am 01.11.2023]
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 2021: Wie werden Vögel und Fledermäuse bei der Planung von Windenergieanlagen geschützt?, https://um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/erneuerbare-energien/windenergie/faq-windenergie/schutz-von-voegeln-und-fledermaeusen [abgerufen am 01.11.2023]
BNetzA – Netzengpassmanagement, 2023:  Berichte zum Netzengpassmanagement, Tabellendokument für das Jahr 2022, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Engpassmanagement/Tabellen2022.xlsx?__blob=publicationFile&v=3 [abgerufen am 01.11.2023]
BNetzA – Bundesnetzagentur veröffentlicht Daten zum Strommarkt 2022, 2023: Stromverbrauch und Erzeugung aus erneuerbaren Energien, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/20230104_smard.html [abgerufen am 01.11.2023]

Elmar Jaeker, November 2023